Orgel

Am Sonntag, 15. Januar 1967 wurde die Orgel in Kiebingen eingeweiht.

Das Äußere der Orgel gliedert sich deutlich in zwei Elemente, zwei Gehäuse aus Kampala-Holz. Hinter der Pfeifenreihe im vorderen Kasten befinden sich die Register des Hauptwerks, die Prospektpfeifen selbst gehören zum Register Prinzipal 8. Darunter liegt hinter drehbaren Jalousien also in der Lautstärke veränderlich, das Schwellwerk. Das rückwärtige Gehäuse beherbergt die Register des Pedals. So spiegelt sich die Klangliche Disposition der Orgel in ihrer äußeren Gestalt

In den Gehäusen der „Klangstuben“ stehen die Pfeifen auf Holzkisten, den sogenannten Windladen. Diese enthalten die Vorrichtungen zum Ein. und Ausschalten der einzelnen Register (die Schleifen daher Schleifladen) und die Ventile für die einzelne Töne. Jedes dieser Ventile ist mechanisch, das heißt über dünne Holzleisten, Winkel und Wellen direkt mit der entsprechenden Tasten im Spieltisch verbunden (daher mechanische Traktur). Da  jedes „Teilwerk“ der Orgel seinen eigenen Klaviatur hat, enthält der Spieltisch drei Klaviaturen: zwei für Hände (Manuale) und eine für Füße (Pedale).

 

Die Register werden nicht mechanisch, sondern durch kleine Elektromotoren ein- und ausgeschaltet. Dies erleichtert dem Spieler das „Registrieren“ und ermöglicht den Einbau von sogenannten Registrierhilfen. So enthält der Spieltisch vier „Setzerkombinationen“ mit deren Hilfe Registerzusammenstellungen, die erst später gebraucht werden, schon vorher fixiert und doch Druck auf einen Einschalttritt jederzeit gerufen werden können.

Die Orgel enthält insgesamt 1566 Pfeifen

Als Material würden Zinn, Mahagoni- Fichten-  und Limba-Holz verwendet.

Die Orgel wurde gebaut in den Werkstätten der Firma „Rieger-Orgelbau“

Bericht über die Orgel von Albin Eberle (Organist)

Unsere Rieger-Orgel ist 50 Jahre alt!
Würdigung und einige weiterführende Gedanken

Am 17. Dezember 1961 wurde in unserer Kirchengemeinde die Heilig-Geist-Kirche eingeweiht.

Eine neue Orgel konnte aus Kostengründen nicht angeschafft werden, so dass eine Leihorgel der Firma Rieger zum Einsatz kam.

Herr Pfarrer Karl Rupp (1922-1988), ein leidenschaftlicher Kirchenmusiker, der ab Oktober 1958 Gemeindepfarrer in Kiebingen und zugleich Leiter der Bischöflichen Musikschule der Diözese Rottenburg war, suchte Übe-Möglichkeiten für Lehrende und Studierende dieser Musikschule.

Eine diesen Anforderungen entsprechende und zum Kirchenbau passende Orgel wurde aus diesem Grund in die Heilig-Geist-Kirche in Kiebingen eingebaut.

Es handelt sie um ein Instrument aus den Werkstätten der Firma „Rieger-Orgel“ in Schwarzach/Vorarlberg; das Gehäuse stammt aus der Werkstatt der Firma Hartmann aus Gärtringen.

Die Disposition mit 1566 Pfeifen, verteilt auf 21 Register, spielbar auf zwei Manualen und Pedal wurde von Domchordirektor Harald Kugler aus Rottenburg erstellt.

Bei der Einweihung der Orgel durch Herrn Prälat Domdekan Dr. Wurm am Sonntag, 15. Januar 1967, also vor 50 Jahren, unterstrich dieser in der Festansprache: „..Ein großer Tag sei es für die Kiebinger, die stolz sein können auf diese Orgel. Kiebingen sei dadurch ein Vorort für die Bemühungen der Kirchenmusik in der Diözese geworden, da die Orgel gleichzeitig als Lehr- und Lerninstrument (…) verwendet wird.“ („Deshalb beteiligt sich auch die Bischöfliche Musikschule an der Finanzierung.“ [1]).

Im Archiv der Firma Rieger wurde die Orgel unter „Bischöflich Musikschule Rottenburg“ geführt. Das rechtfertigte letztendlich, dass wir für damals ungewöhnlich für ein Dorf, den „Mercedes“ unter den Orgeln bekamen, zumal es auch nicht üblich war, Orgelbauer aus dem Ausland zu nehmen.  Die Orgel kostete damals 100 000 DM und konnte finanziert werden durch den unermüdlichen Einsatz von Pfarrer Rupp (u.a. Mittel der Bischöflichen Musikschule), dem Kirchengemeinderat mit Johannes Raidt und der bürgerlichen Gemeinde, voran Bürgermeister Eugen Raidt[2], der nach Sponsoren gesucht hatte und durch  300 Einzelspendern aus Kiebingen.[3] Bernhard Herrmann beschreibt das in seinem Beitrag zum 40. Jubiläum.

Meine Ausführungen sollen hier eher ergänzende Fakten liefern, Erklärungen geben und weiterführende Gedanken wiedergeben:

Trotz jährlicher Zinszahlungen in Höhe von 10 000 DM (z.B. 1967) für die 1961 erstellte Heilig-Geist-Kirche hat sich die Kirchengemeinde für die Anschaffung dieser Orgel ausgesprochen.

Mit der Bezahlung der Anschaffungskosten einer Orgel ist die Finanzierung allerdings nicht abgeschlossen.Eine Kirchenorgel braucht Pflege und Wartung wie jedes andere Instrument auch. 1981[4] wurde die Firma Stehle beauftragt, die alle 2 Jahre vorzunehmende Orgelstimmung zu tätigen, eine erste Orgelreinigung durchzuführen, sämtliche Pfeifen und das gesamte Äußere und Innere gründlich zu reinigen, Zungenpfeifen auseinander zu nehmen und zu reinigen, Windanlage und Windladen zu überprüfen, Erneuerung der defekten Registerzugmotoren vorzunehmen. Diese Arbeiten kosteten ca. 39 000 DM.

Nach der Kirchenrenovation wurde 1988 eine weitere Ausreinigung der Orgel nötig; in diesem Zuge wurde das sehr anfällige Vox Humana-Register durch das stabilere Oboen-Register ersetzt. Die Kosten beliefen sich auf 66.000 DM.

Zuletzt war 2013 eine Generalreinigung und Renovation nötig. Nach 46 Jahren mussten die Ventil-dichtungen, die porös geworden waren, ersetzt werden. Es handelte sich um Verschleißteile, die zeitgleich auch an der St. Moriz-Orgel in Rottenburg erneuert werden mussten. Die Kosten beliefen sich dieses Mal auf 33 000€.

Immer gut beraten wurde die Kirchengemeindein Orgelfragen von Herrn Wolfram Rehfeldt. (ehemaliger Domorganist,ab 1976 Orgelsachverständigen der Diözese).  

Die Kirchenorgel, meistens eine Pfeifenorgel, ist ein Instrument, das im Gottesdienst eine wichtige Funktion hat, sei es zur Begleitung des Gemeindegesanges oder zum feierlichen Ein- und Auszug. In Orchesterwerken stellt sie oft einen wichtigen Klangkörper dar. So eine allgemeine Beschreibung der „Königin der Instrumente“.
50 Jahre Rieger-Orgel in Kiebingen heißt auch, dass eine große Anzahl von Organisten den sonntäglichen Dienst versah. An dieser Stelle erlaube ich mir, die mir bekannten Namen zu nennen, wohl wissend, nicht alle zu kennen – das sei entschuldigt: Zur Würdigung seiner vielen Verdienste als langjähriger Organist, Chorleiter des Pauluschores und des Liederkranz-Kirchenchores, zuletzt auch noch als Dirigent des Musikvereins sei zuerst Reinhold Stopper   ( †1997) genannt, der, auch bei all den notwendigen administrativen Dingen zur Pflege der Orgel, nicht zuletzt auch als 2.Vorsitzender des Kirchengemeinderates, die Kirchenmusik in Kiebingen prägte. Weitere Organisten waren Erich Dierberger (†2012, auch er mit großen Verdiensten als Chorleiter und Organist), Coletta Rupp (Schwester von HerrnPfarrer Rupp), Helmut Kannwischer, Eugen Schnell, Dietmar Schall, Erich Göhner, Peter Rottländer.

Derzeit übernehmen den Orgeldienst Albin Eberle (seit 1983), Simone Herrmann (seit 1991) und Dominik Kleinmann (seit 2007). Zuletzt machte noch Dominik Günther die C-Ausbildung.

In Kiebingen werden wir, was die musikalische Gestaltung des Gottesdienstes anbelangt, sehr verwöhnt, zumal überall Organisten gesucht werden. 

Pfeifenorgel oder Digitalorgel?

Diese Frage beschäftigt Organisten und kirchliche Institutionen schon seit Jahrzehnten. Die Organisten und auch die Diözese sind sich einig, dass sich eine Pfeifenorgel an den Kirchenraum optimal anpasst, und dadurch der Würde des Ortes zum Musizieren zum Lobe Gottes und zur Freude aller eher gerecht wird.

Eine Abwechslung mit dem E-Piano bringt vor allen Dingen bei den „Neuen geistlichen Liedern“ einen flotteren Sound. Das neue Gebet- und Gesangbuch, das zum 1. Advent 2013 in allen Diözesen Deutschlands eingeführt wurde und den Titel „Gotteslob“ weiterführt, bietet eine Vielzahl von „Neuen geistlichen Liedern“ an.

Was bringt die Zukunft?
Einerseits ist eine Zunahme des Interesses an Orgelkonzerten zu verzeichnen, besonders auch in Großstädten.  Auch viele junge Menschen lassen sich in den Bann ziehen von der sakralen Musik im Kirchenraum. Viele virtuos spielende Konzertorganisten bringen uns die Faszination dieses Instrumentes näher.

Andererseits zeigendie immer leerer werdenden Kirchendas Desinteresse vieler Christen an derGlaubensgemeinschaft.Die schwindende „Faszination“, die fehlende Sehnsuchtund die Bedeutungslosigkeit des sonntäglichen Gottesdienstesist mit Sorge zu sehen.

Das gemeinsame Gebet und das gemeinsame Singen sind wichtige und wesentliche Elemente der Liturgie, um aktiv im Gottesdienst dabei zu sein, um seinen Glauben auszudrücken. Gerade auch das Neue Gotteslob bedarf regelmäßigen Singens, um in der Kirchengemeinde seinen Platz zu finden. Es geht nicht darum, jetzt zu lamentieren. Aber als Organist „von der Empore herunter-blickend“, sehe ich gerade bei den gut besuchten Gottesdiensten viele Menschen jeden Alters, die wenig oder gar nicht mehr singen, weil ihnen das Kulturgut der Kirchenlieder allmählich verloren geht. Es ist ein schleichendes Verschwinden der Singkultur im Gottesdienst, das „sich nicht mehr Einbringen können“ im Gesang (aber auch im Gebet).

Bei Hochzeiten und Beerdigungenwird das gemeinsame Singen immer mehr durch Gesangseinlagen von Sängerinnen, durch Musikstücke und Lieder vom Lautsprecher ersetzt. So kommt es vor, dass im Gottesdienst nur ein Lied von der ganzen Gemeinde gesungen wird und selbst der Ein-und Auszug nicht mehr mit der extra für diesen Kirchenraum und eigentlich würdigsten Instrument, der Orgel, gespielt wird. Es ist unbedingt eine Bereicherung und Ergänzung im Gottesdienst, Gesangseinlagen, Bands, andere Solisten, Musikgruppen u.a. in den Gottesdienstablauf mit einzubauen – bitte nicht falsch verstehen! – doch wenn, liturgisch gesehen, das Verhältnis von Gemeindegesang zu anderen musikalischen Beiträgen nicht mehr ausgewogen oder liturgisch unpassend ist, dann ist das sicherlich in den Vorplanungen zu überdenken.

Unsere Kiebinger Jubiläums- Rieger-Orgel wurde bisher und wird hoffentlich weiterhin sehr geschätzt insbesondere auch von unseren Chören.Sie wird als kostbares Juwel in unserer Heilig-Geist-Kirche gesehen und dank vieler finanzieller Zuwendungen immer gut gepflegt, so dass die immer wieder anfallenden Reparatur- und Stimmungsarbeiten geleistet werden können.
Dafür an dieser Stelle auch mal ein „Vergelt’s Gott“! 

Erfreuen wir uns noch viele Jahre, Jahrzehnte, an diesem tollen Instrument, stimmen wir immer wieder mit der Orgel in den Gesang mit ein, hören wir auf Ein- und Auszug und Zwischenspiele, auf die vielen Klangfarben, die dieses Instrument hervorbringen kann und entdecken wir immer wieder neu das Erlebnis Kirchenmusik zum Lobe Gottes! Es lohnt sich![5]

Albin Eberle, Organist

 

Anhang:

Orgelbauer bei der Firma Rieger waren 1967 der 28-jährige Winfried Albiez (1984 gest.) und Reinhard Tschökel. Diese bauten unsere Orgel auf.

1969machte sich Winfried Albiez in Lindau selbstständig. Sein Opus 2 war die Orgel in der Krönungskirche auf der Liebfrauenhöhe im Jahr 1971 mit 25 Registern auf 2 Manualen und Pedal (II/P).

1976 baute er die St.Moriz-Orgel (47 Register III/P) in Rottenburg und

1982 in der Konkathedrale St.Eberhard eine Orgel mi 56 Register III/Ped. nach der Disposition von Herrn Bernhard Ader.

Winfried Albiez‘ Tochter Christine Albiez-Zeilhuber war am Bau der 2007 errichteten Bühler Zeilhuber-beteiligt.

 

Herr Reinhard Tschöckel baute die Weilheimer Orgel.

 

Größere Rieger-Orgeln befinden sich in Tübingen in St. Johannes und in Reutlingen in der Marienkirche.

 

 

[1]Kiebinger Mitteilungen 9.Jg. vom 12.Januar 1967 Nr.2

[2]Kiebinger Mitteilungen M 8.Jg. vom 25.August 1966 Nr.33 und KM 9.Jg. vom 27.Januar 1967 Nr.4

[3]Kiebinger Mitteilungen 2007, Nr.26, S.8: Bernhard Herrmann: 40 Jahre Königin der Instrumente – eine sehr gelungene, gut recherchierte und lesenswerte Arbeit anlässlich des 40.Jubiläums der Orgel).

[4] Quelle: Angebote und Schriftverkehr von 1980 bis 1988 aus dem Pfarramt. Bis  2013 waren dann tatsächlich keine größeren Ausgaben nötig. U.a. waren Herr Ader(†1996), Herr Fleschhut (†2016) und Herr Rehfeldt Ansprechpartner für  Pfarrer Bareis, Pfarrer Schweitzer und Pfarrer Frey mit Kirchengemeinderäten.

[5] Dankend erwähnt als gute Informationsquelle seien zum einen der damalige Kirchenpfleger Alfred Eberle(von 1965-73) und zum anderen Werner Kleinmann (von 1996-2015), dem dieses Instrument weiterhin am Herzen liegt und sich um die Belange der Orgel kümmert.